Kurz und knapp
Das Praxissemester ist ein vom Land Hessen zur Erprobung gestellter Modellversuch. Studierende der teilnehmenden Universitäten müssen in den Studiengängen mit Modellversuch verpflichtend an diesem teilnehmen.
Die Erprobung an der Universität Kassel wird in den Studiengängen Lehramt an Grundschulen (L1) und Lehramt an Haupt- und Realschulen (L2) durchgeführt. An der Goethe-Universität Frankfurt am Main findet der Modellversuch für dan Studiengang Lehramt an Gymnasien (L3) und an der Justus-Liebig-Universität Gießen für den Studiengang Lehramt an Förderschulen (L5) statt.
Informationen zum Ablauf und Aufbau des Praxissemesters finden Sie auch in unserem Wegweiser.
Einführung: Semesterbegleitendes Praktikum
Die Studierenden des Lehramts an Grundschulen im dritten oder vierten Semester gehen für ein Semester an die Schule. Dort sollen sie das Arbeitsumfeld eines/einer Lehrer_in kennenlernen und den Rollenwechsel von der/dem Schüler_in zur/zum Lehramtsstudierenden im Praktikum vollziehen. Im Unterschied zu vorherigen Praktika ist das Praxissemester deutlich länger (es umfasst 14 bis 15 Wochen in denen die Studierenden zwischen drei und fünf Tagen der Woche an den Schulen sind) und wird semesterbegleitend durchgeführt. Während des Praxissemesters besuchen die Studierenden universitäre Lehrveranstaltungen und führen ihr Praktikum an Grundschulen durch. Die Studierenden werden durch ein universitäres Begleitseminar, welches regelmäßig stattfindet, unterstützt.
Näheres zum Begleitseminar finden Sie hier.
Zeitlicher Ablauf
- Der Modellversuch wird seit dem Wintersemester 2015/16 durchgeführt.
- Das Praxissemester erfolgt entweder im dritten oder im vierten Fachsemester und findet sowohl im Wintersemester (Durchgang A) als auch im Sommersemester (Durchgang B) statt. Beide Durchgänge umfassen dasselbe Stundenvolumen (250 Stunden an der Schule).
- Innerhalb des Praxissemesters erfolgt wiederum eine Unterteilung in Blockphase und Langphase.
Ziele des Praxissemesters
Die Studierenden sollen das Berufsfeld und die Institution Grundschule erkunden. Dazu gehört, die Herausforderungen des Berufs sowohl im Unterricht als auch bezüglich der Bedingungen und Aufgaben der Grundschule kennenzulernen und (kritisch) zu reflektieren. Dabei ist das bewusste Wahrnehmen und Gestalten des Rollenwechsels eine weitere Zielsetzung. Indem die Studierenden ihre mitgebrachten Einstellungen und Haltungen zu Grundschule und Grundschulunterricht bewusst wahrnehmen und reflektieren, können sie eine Orientierung für das weitere Studium gewinnen. Sie sollen zu einer kriteriengeleiteten Selbstreflexion im Hinblick auf ihre Eignung für den Grundschullehrerberuf befähigt werden und dabei auch ihr sprachliches und mathematisches Interesse reflektieren.
Die drei Themen „Eignung“, „Beobachten“ und „Unterrichten“ bilden die thematischen Schwerpunkte des Praxissemesters.
Prüfungsleistungen
Die Bescheinigung über das ordnungsgemäße Absolvieren der Praxisphase erfolgt durch die Schulleitung bzw. den / die Mentor_in. Die hierfür notwendige Studienleistung bestehen in der Anfertigung eines Praktikumsberichts. Die Bewertung erfolgt durch die universitären Begleitenden und sollte nach Möglichkeit bereits in das Abschlussgespräch einfließen.
Praktikumsbericht
- Die Modulprüfungsleistung besteht aus einem Bericht über das Praktikum (Praktikumsbericht) (weitere Informationen zum Bericht über das Praxissemester findet ihr im Wegweiser).
- Dieser soll zeigen, dass die in der Modulbeschreibung benannten Kompetenzen erworben wurden, hierbei ist die Dokumentation des Lernzuwachses von besonderem Stellenwert.
- Einzureichen ist der Bericht bis spätestens zum Ende des Semesters – im Wintersemester bis zum 31.03., im Sommersemester bis zum 30.09. – ausgenommen sind hier Auslandspraktika mit Sondervereinbarungen sowie Sondertermine der Begleitenden.
hospitierte Unterrichtsversuche
Die Studierenden führen während des Praxissemesters vier eigenständig geplante Unterrichtssequenzen durch, davon zwei bei dem/der Mentor_in (Unterrichtsversuch) und zwei bei den universitären Begleitenden (besuchter Unterrichtsversuch). Es werden jeweils zwei Sequenzen für das Fach Deutsch und für das Fach Mathematik geplant und durchgeführt. Den ersten besuchten Unterrichtsversuch können zwei Studierenden im Team halten. Alle weiteren Sequenzen sollen dann eigenständig geplant und durchgeführt werden.
Kritik am Modellversuch Praxissemester
Die Universität Kassel hat sich vor Beginn des Modellversuchs Praxissemester immer wieder kritisch zu dem Vorhaben geäußert. Die wesentlichen Kritikpunkte sind folgende:
- Das Praxissemester erhöht die Praxisanteile zu Lasten der wissenschaftlichen Studienanteile.
- Die Praxisanteile im Studium werden zu Lasten der wissenschaftlichen Studienanteile noch weiter erhöht und das bei einem insgesamt zu kurzen, nur 7-semestrigen Studium im Lehramt an Grundschulen und im Lehramt an Haupt- und Realschulen in Hessen. In 13 von 16 Bundesländern ist das Studium für das Lehramt an Grundschulen und für das Lehramt an Haupt- und Realschulen mindestens 8 Semester lang, in drei Bundesländern beträgt die Studienzeit für alle Lehrämter inzwischen gleichwertig 10 Semester.
- Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die wissenschaftliche Ausbildung, da durch intensive wissenschaftliche Forschung (z.B. im Bereich des Schriftspracherwerbs oder im Bereich des Umgangs mit Heterogenität) differenzierteres Wissen im Bereich der Grundschulpädagogik vorhanden ist.
- Zudem gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise dafür, dass eine lange Praxisphase bessere Ergebnisse für die Lehrerbildung bringt.
- Das Praxissemester ist zu früh.
- Den Studierenden fehlt das bildungswissenschaftliche, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Wissen, um die Praxiserfahrungen fundiert reflektieren zu können.
- Es besteht die Gefahr, dass Studierende den Unterrichtsstil oder berufliche Haltungen ihrer Mentorinnen oder Mentoren einfach übernehmen.
- Zudem greifen sie möglicherweise aus Mangel an Erfahrungen und pädagogischem Wissens unkritisch auf Handlungsmuster von Lehrpersonen aus der eigenen Schulzeit zurück.
- Das Praxissemester ist zu lang.
- Die Studierenden werden nur an einer Schule und nur in einer Phase ihres Studiums Praxiserfahrungen sammeln und nicht - wie vorher - an bis zu drei Schulen.
- Die Mentorinnen und Mentoren sowie die Schulen erhalten zusätzliche Aufgaben und werden stärker beansprucht.
- Die Studierenden verlieren die Möglichkeit zwischen Praxisphasen und Studienphasen mehrfach zu wechseln.
- Die Studierenden werden stark belastet, weil sie über einen langen Zeitraum die Praktikantenrolle ausfüllen und sich „zwischen Schule und Universität“ bewähren müssen.
- Da sie noch über wenig berufsrelevantes Wissen verfügen, können die Studierenden im Unterricht nicht die Lehrer:innenrolle übernehmen. Sie möchten aber über einen so langen Zeitraum auch nicht „nur Beobachter“ sein.
- Es ist nicht anzunehmen, dass ein so langes Praxissemester besser zur Eignungsabklärung beiträgt als ein fünfwöchiges Blockpraktikum.
Evaluationen
Metaevaluation
Durchgeführt von: Projekt Praxisevaluation
Evaluationen aus dem Modellversuch für L1
In Ergänzung zur Metaevaluation finden qualitative Erhebungen statt, die speziell auf den Modellversuch für das Lehramt an Grundschulen ausgerichtet sind. Diese Erhebungen machen den Zugang zu den Erlebnissen und Wahrnehmungen der Gruppe der universitären Begleiterinnen und Begleiter, der Mentorinnen und Mentoren sowie der Studierenden möglich.
Leitfadeninterviews mit Universitären Begleiter_innen
Durchgeführt von: Dr. C. Schulz u.
Prof. Dr. F. Heinzel mit Unterstützung durch K. Florek
Die Befragung der universitären Begleiterinnen und Begleiter mittels Leitfadeninterviews setzt den Schwerpunkt auf die von den Begleiterinnen und Begleitern wahrgenommenen Aspekte des Praxissemesters. Die Befragungsintervalle sind jeweils nach der Blockphase und nach der Langphase.
Gruppendiskussionen mit Mentor_innen
Durchgeführt von: M. Schmidt u. (bis 8/2017 Prof. Dr. F. Grittner)
Prof. Dr. F. Heinzel (seit 8/2017)
mit Unterstützung durch M. Ullrich
Die Mentorinnen und Mentoren werden mittels Gruppendiskussionen zum Praxissemester befragt. In diesen Diskussionen sollen die Erfahrungen, Einschätzungen und Haltungen zum Praxissemester erfasst werden.
Auswertung studentischer Bilanzsätze
Durchgeführt von: Dr. C. Schulz u.
Prof. Dr. F. Heinzel mit Unterstützung durch K. Florek
Es werden offene studentische Statements zu den Einschätzungen, Meinungen und Erfahrungen der Studierenden im Praxissemester erhoben und ausgewertet.
Die Ergebnisse werden in dem Artikel „Zu hoher Aufwand für zu wenig Nutzen“ – Äußerungen von Studierenden im Praxissemester über universitäre Seminare von Christine Schulz und Friederike Heinzel (2020) vorgestellt.
Familienfreundliches Praxissemester
Idee und Hintergrund
Um das Praxissemester mit familiären Anforderungen besser vereinbar zu machen, bietet die Universität Kassel die Wahlmöglichkeit eines familienfreundlichen Praxissemesters an. Das Familienfreundliche Praxissemester (FaPra) erstreckt sich über den Zeitraum von zwei Semestern, sodass der zeitliche Aufwand für den schulpraktischen und den universitären Teil über einen verlängerten Zeitraum verteilt und die wöchentliche Belastung reduziert wird. Damit ist das Anliegen verbunden, auch Studierenden mit Kindern möglichst günstige Rahmenbedingungen zu bieten, die einen erfolgreichen Abschluss des Praxissemesters als Voraussetzung für das weitere Studium ermöglichen.
Aufbau und Verlauf
Die Blockphase beginnt direkt nach den Herbstferien und umfasst 80 Stunden. In dieser sind die Studierenden an 4 bis 5 Tagen der Woche mit wöchentlich insgesamt 20 Stunden in der Praktikumsschule. Direkt an die Blockphase schließt die 26wöchige Langphase an, in welcher die Studierenden an zwei Tagen der Woche mit wöchentlich 7 Stunden, insgesamt 170 Stunden in der Schule sind.
Der Schulische Teil
Die Blockphase beginnt direkt nach den Herbstferien und umfasst 80 Stunden. In dieser sind die Studierenden an 4 bis 5 Tagen der Woche mit wöchentlich insgesamt 20 Stunden in der Praktikumsschule. Direkt an die Blockphase schließt die 26wöchige Langphase an, in welcher die Studierenden an zwei Tagen der Woche mit wöchentlich 7 Stunden, insgesamt 170 Stunden in der Schule sind.
Der universitäre Teil
- Das Begleitseminar: In den Herbstferien beginnt der Vorlesungszeitraum, in diesem beginnt für die Studierenden das Begleitseminar, welches das Praktikum über den gesamten Zeitraum von Oktober bis Juni begleitet.
- Die flankierenden Lehrveranstaltungen: Im Wintersemester besuchen die Studierenden eine flankierende Praxissemester-Lehrveranstaltung des Kernstudiums mit 4SWS, im Sommersemester besuchen sie die flankierenden Praxissemester Lehrveranstaltungen der Mathematikdidaktik und der Deutschdidaktik.